
Nachdem bei der UN-Waffenkonvention 1996 keine Fortschritte erzielt wurden, übernahm Kanada die Führung und lud im Oktober desselben Jahres zu einer Konferenz nach Ottawa ein. Aussenminister Lloyd Axworthy forderte dort, innerhalb eines Jahres einen Vertrag auszuhandeln – ein ungewöhnlich ehrgeiziger Zeitplan, der letztlich durch einen ungewöhnlichen multilateralen Prozess eingehalten wurde.
„Ottawa-Konvention“
18. September 1997

„Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, Herstellung und Weitergabe von Antipersonen-Minen und über ihre Vernichtung“
Am 18. September 1997 wurde mit der „Ottawa-Konvention“ ein völkerrechtliches Abkommen verabschiedet, das als einer der bedeutendsten humanitären Fortschritte des späten 20. Jahrhunderts gilt. Antipersonenminen, die über Jahrzehnte in zahlreichen Konflikten eingesetzt wurden, forderten unzählige zivile Opfer, oft noch lange nach Beendigung der Kämpfe. Mit der Konvention verpflichteten sich die Vertragsstaaten, Einsatz, Lagerung, Produktion und Weitergabe dieser Waffen vollständig zu verbieten. Zudem schreibt das Abkommen vor, bereits bestehende Minen systematisch abzubauen und betroffene Opfer zu unterstützen. Seit Inkrafttreten des Vertrags konnten über 40 Millionen Minen zerstört und weite Landstriche geräumt werden, die heute wieder sicher genutzt werden können.
Besonders bemerkenswert war dabei nicht nur der Inhalt, sondern auch der Weg dorthin: In einer Zeit, in der klassische Abrüstungsverhandlungen festgefahren schienen, gelang es einem Zusammenspiel aus kleineren Staaten und internationalen NGOs, einen neuen Verhandlungsraum zu schaffen. Der Vertrag war das Ergebnis eines ungewöhnlichen und einzigartigen multilateralen Prozesses außerhalb klassischer UN-Strukturen, des sogenannten Ottawa-Prozesses. Dieser zeichnete sich durch eine enge Partnerschaft zwischen mittleren und kleineren Regierungen, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft aus.
165 Staaten haben das Übereinkommen inzwischen ratifiziert, und die Ottawa-Konvention gilt als meist unterstützter Vertrag, der eine spezifische Waffe betrifft. Großmächte wie die USA, Russland und China haben den Vertrag nicht unterschrieben.

Die Ottawa-Konvention im Lichte des Harvard-Kreises
Gemeinsames Ziel sichtbar machen
Die Pfeiler der Kampagne: Produktion, Einsatz und Lagerung von Minen verbieten, bestehende Minen räumen und Überlebende unterstützen, schufen eine klare inhaltliche Leitlinie. Diese humanitäre Zielsetzung wurde zum gemeinsamen Nenner, der die Interessen der Verhandelnden bündelte.
Vertrauen aufbauen, auch trotz anfänglicher Skepsis
Trotz anfänglicher Vorbehalte schufen informelle Treffen, persönliche Begegnungen und die aktive Rolle von NGOs eine Gesprächsbasis. Vertrauen wuchs nicht über Nacht, sondern durch den kontinuierlichen Dialog.
Interessen statt Positionen
Mächte wie die USA, Russland und China hielten an Minen fest, während kleinere und mittlere Staaten, wie etwa Kanada, Norwegen oder Südafrika, gemeinsam mit ehemaligen Minenproduzenten und -nutzern wie Italien oder Mosambik auf ein Verbot drängten. Indem die sicherheitspolitischen Interessen benannt wurden, ließ sich eine Allianz jener Staaten schmieden, die das Interesse nach Beendigung des humanitären Leids stärker gewichteten als strategische Positionen.
Kreative Wege zur Einigung
Verhandelt wurde nicht im Rahmen der Vereinten Nationen, sondern in einem „Opt-in“-Prozess: Staaten mussten den Vertragstext, der auf einem österreichischen Entwurf beruhte, vor der eigentlichen Konferenz in Oslo akzeptieren. Entscheidungen erfolgten per Abstimmung, nicht durch Konsens. Diese unkonventionelle Methode verhinderte Blockaden und führte zu einem starken, klaren Vertragstext.
Objektive Maßstäbe setzen
Die Erfolgskontrolle orientierte sich nicht am Minimalkompromiss, sondern an klaren Standards: Vernichtung von Minen innerhalb von vier Jahren, Räumung betroffener Gebiete und regelmäßige Berichte. Diese Kriterien machten Fortschritte messbar und verliehen der Konvention Glaubwürdigkeit.
Flexibilität im Umgang mit Vorbehalten
Nicht alle Staaten waren sofort bereit, beizutreten. Trotz der Abwesenheit großer Militärmächte wurde die Ottawa-Konvention mit über 120 Unterzeichnern verabschiedet. Die Offenheit für spätere Beitritte sicherte der Initiative langfristig Legitimität und Reichweite. Bis heute haben 164 Staaten das Abkommen unterzeichnet, das sind mehr als 80 Prozent aller Länder weltweit.

Quellen & Weitere Informationen
- https://disarmament.unoda.org/en/our-work/conventional-arms/legal-instruments/anti-personnel-landmines-convention
- https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2003/431/de
- https://www.armscontrol.org/act/1997-09/arms-control-today/ottawa-landmine-treaty
- https://www.handicap-international.de/de/landminen/kampagne#:~:text=Vertrag%20zum%20Verbot%20von%20Landminen,zudem%20zu%20Entminung%20und%20Opferhilfe
- Silvela, A. V. (2024). Unorthodox and Historic: The Ottawa Process and the Mine Ban Treaty. 25 Years of a Success Story of Multilateralism. Comillas Journal of International Relations, (29), 68-89